Fünfzig Pferd- und Reiterpaare stellten sich im Rahmen des CANA Cup am Donnerstagnachmittag dem vom venezolanischen Parcourschef Leopoldo Palacios entworfenen Parcours des 1,60-Meter-Springens. Von den 50 Teilnehmern schafften es nur 14 Reiter ins Stechen und mussten sich erneut an acht Hindernissen messen. Doch der kanadische Favorit Eric Lamaze ließ die Konkurrenz auf seinem dreizehnjährigen Wallach Chacco Kid weit hinter sich und konnte sich mit sichtlicher Begeisterung den Titel 2019 sichern. Somit verwies das Paar den Australier Rowan Willis auf Diablo VII auf den zweiten und den Franzosen Kevin Staut auf Urhelia Lutterbach auf den dritten Platz.
Zu seinem Sieg bemerkte Lamaze: „Es ist sehr schwierig, anspruchsvolle Prüfungen wie diese zu gewinnen, wenn man als erster ins Stechen geht. Chacco Kid war heute sehr schnell. Er hat nicht gerade die größte Schrittlänge, wenn ich also ein bisschen Anlauf habe, kann er Tempo aufbauen und vorsichtig springen. Das war mein Vorteil heute.“
„Chacco Kid ist sehr vorsichtig. Ich muss manchmal besonders auf die hintere Stange beim Oxer achten, denn er ist so vorsichtig, dass er Abstand zur vorderen Stange hält und das Hindernis so noch breiter für ihn macht. Normalerweise kann ich aber bei einem Zaun wirklich Tempo machen in dem Wissen, dass er das Hindernis genau im Auge und alles im Griff hat.“
„Spruce Meadows ist ein ganz besonderer Veranstaltungsort für mich, das war schon in jungen Jahren so. Ich habe wirklich tolle Erinnerungen an meine Turniere hier. Man wird einfach nicht müde, das Tosen des Publikums zu hören, wenn man unter dem Uhrenturm hindurch einreitet. Ich denke, das holt das Beste aus einem heraus, nicht nur bei mir. Denn das letzte was man will, ist all die jubelnden Zuschauer zu enttäuschen.“
Interview mit den Veranstaltern:
Linda Southern-Heathcott, Präsidentin des Organisationskommitees von Spruce Meadows
Das CSIO Spruce Meadows ‘Masters’ gilt als eine der besten Reitsportveranstaltungen der Welt. Wie schaffen Sie es, sich jedes Jahr etwas Neues auszudenken, um das Event noch besser zu machen?
Erst einmal hoffen wir auf gutes Wetter! Was uns in der Vergangenheit wirklich geholfen hat, sind die vier Stakeholder von Spruce Meadows: unsere Sponsoren, unsere Fans, unsere Medien und unsere Athleten. Während wir jedes Jahr natürlich alle vier dieser beteiligten Gruppen berücksichtigen, konzentrieren wir uns meist auf ein oder zwei dieser Stakeholder, um ihre individuelle Erfahrung zu verbessern. Das kann das Fan-Erlebnis sein, also welche Aktivitäten wir abseits der erstklassigen Reitsportwettbewerbe anbieten, oder die Erfahrung der Athleten, also Dinge wie das Preisgeld oder die Böden und Stallanlagen. Mit dieser Strategie waren wir bisher sehr erfolgreich.
Wie hat sich die Veranstaltung verändert, seitdem das CSIO Spruce Meadows ‘Masters’ Teil des Rolex Grand Slam of Show Jumping bildet?
Seitdem wir zum Rolex Grand Slam gehören, haben wir unsere Kompetenzen kontinuierlich ausgebaut. Wir haben von den besten Veranstaltungsorten der Welt gelernt und unsere Abläufe entsprechend optimiert. Beispielsweise müssen wir die beste Vorgehensweise und Protokolle für den Fall festlegen, dass sich ein Pferd oder Reiter verletzt. Das sind sehr wichtige Details, die wir uns genau überlegen und die wir richtig machen müssen. Das sieht man zum Beispiel beim Kentucky Derby und anderen großen internationalen Reitsportveranstaltungen. Als Teil des Rolex Grand Slam liegt die Messlatte für uns alle nun deutlich höher.
Die Hallenturniere haben den Vorteil, dass sich die Organisatoren keine Sorgen über das Wetter machen müssen und auch das Einreiten der Teilnehmer ist bei diesen Events sehr beeindruckend. Die Anlage in Spruce Meadows erstreckt sich über mehr als 200 Hektar, also stellt sich die Frage, wie wir einen starken Auftritt für unsere Fans sicherstellen können. Wir nehmen also ständig Anpassungen vor und überlegen uns neue Ideen, um diesen Teil der Erfahrung zu verbessern. Aber ich denke, wir haben eine wundervolle Lernkurve durchlaufen und wissen heute, dass wir uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen dürfen.
Wir lernen übrigens nicht nur vom Pferdesport, sondern sehen uns auch andere erfolgreiche Sportarten wie Golf, Tennis oder Formel 1 an. Wir fragen uns, wie die Organisatoren ihre Veranstaltungen so erfolgreich durchführen und warum sie zu den Besten gehören. Wir lassen uns also inspirieren, um unser Turnier ständig zu verbessern.
Wie sehen die größten Herausforderungen bei der Organisation eines Events wie dem CSIO Spruce Meadows ‘Masters’ aus?
In gewisser Weise vergleiche ich das Springreiten häufig mit Golf. Der Golfsport verfügt über den Golfverband R&A, der seinen Sitz in Großbritannien hat. Ein Großteil der Golfturniere wird jedoch von der PGA in Nordamerika veranstaltet. Beim Springreiten finden dagegen die meisten Turniere in Europa statt, sodass Spruce Meadows eher als Nebenveranstaltung gesehen wird. Uns stellen sich also geografische Herausforderungen, denn wir müssen Flugzeuge chartern, um die Pferde von Europa nach Nordamerika zu fliegen. Calgary ließ sich schon immer schwer erreichen und erfordert eine lange Anreise.
Die Unterstützung unserer Sponsoren und die von ihnen bereitgestellten Preisgelder sind für den Erfolg von Spruce Meadows also entscheidend. Wir müssen den Sportlern einen überzeugenden Anreiz liefern, bei unserem Turnier antreten zu wollen. Im Vergleich zu anderen weltweiten Turnieren erwartet die Teilnehmer zudem eine etwas andere Erfahrung, denn es handelt sich hier um einen Familienbetrieb. Die Stimmung ist sehr vertraut, denn jeder Teilnehmer wird von der Familie persönlich begrüßt und diese ist auch sonst sehr involviert. Die Logistik und die veränderten Reisebedingungen waren sicherlich eine unserer größten Herausforderungen, insbesondere seit dem 11. September, da sehr strenge Einreisebestimmungen erlassen wurden. Die Pferdepfleger sind viel unterwegs und man muss die Bewegungen der letzten 10 Jahre angeben, um nach Kanada einreisen zu dürfen. Die Welt verändert sich also und wirft ständig neue Herausforderungen für uns auf.
Was hat Sie während Ihrer Arbeit für Spruce Meadows am meisten mit Stolz erfüllt?
Der stolzeste Moment meiner Karriere war, als ich bei den Olympischen Sommerspielen 1996 in Atlanta für Kanada antreten durfte. Für mich als Athletin bestand der größte Erfolg darin, die Herausforderungen in Spruce Meadows mental zu bewältigen, schließlich war ich hier zuhause. Das hat mich sicher etwas tougher gemacht und für mich selbst war das der größte Erfolg.
Der beste Rat, den ich jemals erhielt, stammte von meiner Mutter und meinem Vater. Mein Vater sagte immer, dass jeder Erfolge und Niederlagen hat. Man hat eine Nacht, sich über seine Niederlage zu ärgern, und eine Nacht, um seinen Erfolg zu feiern. Und wenn die Sonne aufgeht, fängt man wieder von vorne an. Die Moral dieser Geschichte ist also, niemals aufzugeben. Meine Mutter brachte mir bei, was auch immer ich tue, mit Würde und Anmut zu tun.
Welcher Aspekt Ihrer Arbeit gefällt Ihnen am besten?
Ich finde es toll, so viele Leute kennenzulernen. Mein Vater nahm sich zum Ende hin nie die Zeit, Spruce Meadows einfach zu genießen. Für mich ist Spruce Meadows ein wirklich wunderschöner und idyllischer Ort und ich spaziere fast jeden Tag über die Anlage und genieße es, hier zu sein. Ich bin wirklich beeindruckt von dem, was mein Team auf die Beine gestellt hat. Und man spürt sofort, dass die Mitarbeiter ihre Arbeit gerne machen – das macht meine Arbeit zu etwas Besonderem.
Das CSIO Spruce Meadows ‘Masters’ ist eines der vier Majors des Rolex Grand Slam of Show Jumping – verspüren Sie deswegen zusätzlichen Druck, eine herausragende Veranstaltung aufzuziehen?
Ja natürlich ist der Druck dadurch etwas größer. Schließlich wollen wir unser Bestes geben und noch einen Schritt weiter gehen, um die Erwartungen zu übertreffen. Wir müssen also auf jedes noch so kleine Detail achten und Wert auf eine genaue Ausführung legen. Aber Druck hat auch seine gute Seite: Er motiviert uns und ich sehe ihn daher nicht als Last, sondern als Herausforderung. Letztendlich ist es doch so: Wenn wir uns am Sonntag über volle Tribünen freuen können, war die Veranstaltung ein Erfolg.
Reiter-Interview:
Sameh El Dahan
Sie konnten sich im vergangenen Jahr den Sieg beim CP ‘International’ presented by Rolex sichern. Spüren Sie zusätzlichen Druck, wenn Sie am Sonntag erneut bei diesem Major antreten?
Der Druck ist bei jedem Grand Prix da, aber er nimmt natürlich zu, je mehr auf dem Spiel steht. Mir persönlich macht das aber nichts aus – gerade wenn man ein Pferd wie Suma's Zorro unter sich hat. Ich weiß, dass sie jedes Mal ihr Bestes geben wird, und das macht das Ganze etwas einfacher. Ich bin meiner Stute sehr dankbar, dass ich diese großen Grands Prix ohne Druck und in dem Wissen angehen kann, einfach nur meine Arbeit machen zu müssen.
Was erwarten Sie sich vom CP ‘International’ presented by Rolex am Sonntag?
Ich habe immer hohe Erwartungen, doch im Springreiten gibt es leider keine Garantien. Aber ich liebe meine Arbeit und ich liebe mein Pferd, eines ist also sicher – wir werden beim CP ‘International’ presented by Rolex am Sonntag alles geben.
Wie ist es Ihrer Stute Suma's Zorro seit Ihrem eindrucksvollen Sieg beim CP ‘International’ presented by Rolex im vergangenen Jahr ergangen?
Wir hatten in diesem Jahr unsere Höhen und Tiefen. Für Suma's Zorro war die Wintersaison etwas schwierig. Sie bevorzugt Wärme und Sonne, sie ist also nicht besonders gut durch den Winter gekommen. Seit gut einem Monat ist sie jedoch wieder besser in Form. Sie zeigte gute Leistungen beim Rolex Grand Prix des CHIO Aachen und ich freue mich wirklich auf Sonntag, denn das Timing dürfte perfekt sein, um sie wieder in Topform zu sehen. Ich will es nicht beschwören, aber ich habe ein gutes Gefühl für Sonntag!
Können Sie uns etwas mehr über Suma's Zorros Charakter erzählen?
Suma's Zorro ist sehr stur und ich nenne sie daher immer meinen eigensinnigen Rotfuchs. Sie ist sehr temperamentvoll, man muss sich also ein bisschen bei ihr einschmeicheln, sonst hat man keine Chance. Aber ich kenne sie jetzt schon seit acht Jahren und sie ist ein bisschen wie meine beste Freundin – ich weiß alles über sie, ebenso wie sie alles über mich weiß. Und eines weiß ich ganz genau: Ich kann nicht gegen sie arbeiten, sondern muss sie auf meine Seite bringen. Sie ist eine echte Kämpfernatur und zeigt für mich immer diesen Kampfgeist. Dafür bin ich sehr dankbar.
Welche Pferde haben Sie außer Suma's Zorro noch zum Turnier in Spruce Meadows mitgebracht?
Ich habe einen zehnjährigen Wallach namens WKD Exotic mit, ein wirklich sehr schönes Pferd. Ich reite ihn noch nicht sehr lange, noch nicht einmal ein Jahr, und ich versuche noch, ihn richtig einzuordnen. Er hat bereits tolle Leistungen gezeigt und ich freue mich darauf, den Rest der Woche mit ihm zu arbeiten.
Was motiviert Sie und treibt Sie an?
Ich liebe einfach meine Arbeit und schätze mich jeden Tag glücklich, denn für mich sind meine Pferde der Grund, warum ich jeden Morgen aufstehe. Pferde sind wie Menschen und man muss sie wie eigene Persönlichkeiten behandeln. Das hält den Geist ständig auf Trab und das gefällt mir. Herauszufinden, was für jedes einzelne Pferd das Beste ist, ist eine echte Herausforderung. Ich verstehe mich wirklich gut mit meiner Teamkollegin, Joanne Sloan Allen. Wir probieren Ideen aneinander aus und das motiviert mich. Ich bin sehr ehrgeizig und versuche, jede Prüfung, an der ich teilnehme, zu gewinnen. Aber im Springreiten verliert man mehr, als man gewinnt, sodass man einen Sieg wirklich zu schätzen weiß. Mein Erfolg in Spruce Meadows im vergangenen Jahr ist ein Moment, den ich nie vergessen werde. Wenn ich also einmal etwas unmotiviert bin, denke ich zurück an diesen Sieg und meine Laune bessert sich sofort. Das Springreiten ist ein sehr interessanter Sport und auch eine Lebensart, deswegen liebe ich diese Disziplin so sehr.
Was gefällt Ihnen am besten am Turnier in Spruce Meadows?
Alle Mitarbeiter vor Ort gehen ihrer Arbeit mit sehr viel Stolz nach. Das reicht von den Organisatoren über die Mitarbeiter auf dem Gelände bis hin zur Stimmung und den Zuschauern. Wenn ich hier bin, habe ich das Gefühl, für ein gutes Ergebnis etwas mehr geben zu müssen, denn alle hier sind mit so viel Leidenschaft dabei. Ich liebe einfach diesen Ort – für mich ist es ein echtes Disneyland für Pferde. Es ist für alles gesorgt, von den erstklassigen Stallanlagen bis hin zu den zahlreichen Weiden. Die Organisatoren von Spruce Meadows sind ihrer Tradition über Generationen hinweg treu geblieben, was angesichts der Modernisierung des Sports heute gar nicht so einfach ist. Sie haben eine klare Vision, die sie über die Jahre stets aufrecht erhalten haben – das ist wirklich beeindruckend.
Welchem Beruf würden Sie nachgehen, wenn Sie nicht im Reitsport tätig wären?
Ich habe Medizin studiert, also würde ich wahrscheinlich als Arzt arbeiten!
Hat der Rolex Grand Slam of Show Jumping Ihrer Meinung nach den Sport aufgewertet?
Ja, der Reitsport ist besser als je zuvor. Man muss sich nur die Teilnehmerliste dieser Veranstaltung ansehen, bei der die besten Reiter und Pferde der Welt antreten. Es wurde sehr viel Geld in diese Majors investiert und deren individuelle Bekanntheit enorm gestärkt. Für mich geht es aber nicht um das Geld oder die materielle Seite. Es ist eine Ehre, an einem der vier größten Majors der Welt teilzunehmen, sei es in Genf, Aachen, Spruce Meadows oder bei The Dutch Masters, die allesamt von Rolex gesponsert werden. Wenn man an einem Rolex Grand Prix teilnimmt, möchte man gewinnen, egal ob es um drei Millionen, eine Million oder eine halbe Million Euro geht. Das wäre auch ohne Preisgeld nicht anders. Denn mit einem Sieg schreibt man als Reiter automatisch Geschichte und reiht sich unter den größten Namen des Sports wie Nick Skelton, Eric Lamaze, Eddie Macken und anderen Reitsportlegenden ein. Es ist für jeden ein absoluter Traum und ich habe das große Glück, als junger Reiter aus Ägypten heute hier stehen und das sagen zu können.